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Bewertungsdifferenzen im M&A-Prozess: Wie Käufer und Verkäufer trotz Unsicherheit zueinanderfinden

Im aktuellen Marktumfeld driften die Kaufpreiserwartungen von Käufern und Verkäufern spürbar auseinander. Viele Unternehmen sehen sich mit Umsatzrückgängen, Planungsunsicherheit und Ergebnisschwächen konfrontiert. Während Verkäufer diese Entwicklung häufig als vorübergehend einstufen, kalkulieren Käufer vorsichtiger und berücksichtigen potenzielle Risiken in ihrer Bewertung. Das führt dazu, dass Transaktionsgespräche ins Stocken geraten oder ganz scheitern. Besonders bei altersbedingten oder zwingenden Nachfolgelösungen fehlt jedoch oft der Spielraum, auf bessere Rahmenbedingungen zu warten.

Um in solchen Situationen dennoch zu einer Einigung zu kommen, braucht es flexible Instrumente, die beide Perspektiven integrieren. In der Praxis haben sich drei Strukturelemente als besonders wirksam erwiesen: Earn Outs, strukturierte Kaufpreisoptionen und Rückbeteiligungen. Sie bieten die Möglichkeit, Bewertungsunterschiede konstruktiv zu überbrücken, Risiken fair zu verteilen und den wirtschaftlichen Erfolg gemeinsam zu gestalten. Sie schaffen die nötige Brücke zwischen heutigen Risiken und künftigen Chancen.

Earn Outs: Kaufpreis mit Performancekomponente

Earn Out Klauseln verknüpfen einen Teil des Kaufpreises mit der künftigen Entwicklung des Unternehmens. In der Regel liegt dieser variable Anteil bei rund 15 Prozent des Gesamtkaufpreises und wird nur dann ausgezahlt, wenn zuvor definierte Ziele wie etwa Umsatz oder EBITDA innerhalb eines festgelegten Zeitraums erreicht werden. Typischerweise liegt dieser Zeitraum zwischen ein und drei Jahren nach Closing.

Wichtig ist, dass die vereinbarten Kennzahlen objektiv messbar und möglichst wenig manipulationsanfällig sind. Die Auszahlung erfolgt oft gestaffelt. Ab einer Zielerreichung von etwa 85 Prozent wird ein anteiliger Betrag fällig, bei voller Zielerreichung die gesamte variable Tranche. Damit das Modell funktioniert, ist die aktive Einbindung des Verkäufers in das operative Geschäft während der Earn Out Periode von zentraler Bedeutung. Ohne klare Verantwortlichkeiten und Transparenz drohen Interessenkonflikte oder Auseinandersetzungen über die Berechnungsgrundlage.

Praxisbeispiel:
Ein mittelständisches Unternehmen aus dem Bereich Automatisierungstechnik soll im Rahmen einer Nachfolgelösung verkauft werden. Aufgrund einer aktuell schwachen Auftragslage gehen die Kaufpreisvorstellungen der Parteien deutlich auseinander. Die Lösung: Ein Earn Out Modell, das die erwartete wirtschaftliche Erholung abbildet.

Der Käufer leistet zunächst einen fixen Basiskaufpreis in Höhe von acht Millionen Euro. Weitere bis zu vier Millionen Euro werden als Earn Out zugesagt. Die Auszahlung ist an das Erreichen einer EBITDA Marge von 15 Prozent bei einem Umsatz von 16 Millionen Euro im ersten vollen Geschäftsjahr nach Closing gekoppelt.

Wird dieses Ziel vollständig erreicht oder übertroffen, erhält der Verkäufer die volle variable Tranche. Bei Zielerreichung zwischen 85 und 95 Prozent wird der Betrag linear anteilig ausgezahlt. Bei Unterschreitung von mehr als 15 Prozent entfällt der Earn Out vollständig.

Die gewählte Struktur schafft einen fairen Interessenausgleich. Der Käufer reduziert sein Risiko in einem unsicheren Marktumfeld, während der Verkäufer die Chance behält, den vollen Unternehmenswert zu realisieren – sofern sich seine Erwartungen bestätigen.

Kaufpreisoptionen: Bewertung bei Ausübung

Kaufpreisoptionen wie Call und Put Rechte schaffen Flexibilität bei der Anteilsübertragung und ermöglichen es, den finalen Preis an die tatsächliche Unternehmensentwicklung zu knüpfen. Im Unterschied zu einem vollständig fixierten Kaufpreis erfolgt die Bewertung zum Zeitpunkt der Optionsausübung auf Basis objektiver Kriterien – häufig eines EBITDA Multiples, der auf einem Durchschnitt der letzten Geschäftsjahre basiert. Dadurch wird der reale wirtschaftliche Erfolg zur Grundlage der Preisfindung.

Besonders bewährt hat sich dieses Modell bei mehrstufigen Beteiligungen oder der Übernahme von Minderheitsanteilen. Der Käufer sichert sich eine stärkere Planungssicherheit, indem er den vollen Einstieg von der zukünftigen Performance abhängig macht. Gleichzeitig bleibt der Verkäufer weiter beteiligt und kann an einer möglichen Wertsteigerung partizipieren. Voraussetzung ist ein transparenter, vertraglich fixierter Bewertungsmechanismus, der beiden Seiten Verlässlichkeit bietet und potenzielle Konflikte minimiert.

Put-/Call-Option anhand eines Praxisbeispiels:

Ein Investor übernimmt 70 Prozent der Anteile an einem industriellen Dienstleister zu einer Bewertung von acht Millionen Euro. Die restlichen 30 Prozent verbleiben beim Verkäufer. Ab dem zweiten Jahr nach Closing greift ein Optionsfenster. Der Käufer erhält eine Call Option, der Verkäufer eine Put Option.

Die Bewertung erfolgt auf Basis eines festgelegten EBITDA Multiples. Im Erfolgsfall kann der Käufer die verbleibenden Anteile im zweiten Jahr für 11 MEUR anteilig übernehmen. Wird die Option nicht gezogen, kann der Verkäufer im vierten Jahr zum dann höheren Wert von 13 MEUR verkaufen. Beide Seiten profitieren von einer leistungsbezogenen, planbaren Struktur.

Rückbeteiligungen: Vertrauenssignal mit Hebel

Bei einer Rückbeteiligung bleibt der Verkäufer mit einem Minderheitsanteil am Unternehmen engagiert. Dieses Modell hat sich insbesondere in Nachfolgelösungen und bei Private Equity Transaktionen bewährt. Die Rückbeteiligung signalisiert Zuversicht und schafft eine Interessengleichheit zwischen Altgesellschafter und Käufer.

Der Vorteil liegt in der Verbindung aus Kontinuität und Anreiz: Der Käufer profitiert vom Know how und der Erfahrung des bisherigen Eigentümers, während dieser an der weiteren Wertsteigerung teilhaben kann. Erfolgreich ist das Modell dann, wenn Governance Regeln, Mitverkaufsrechte und steuerliche Rahmenbedingungen klar strukturiert sind. Ziel ist ein gemeinsamer Exit nach mehreren Jahren, bei dem beide Seiten einen wirtschaftlichen Vorteil erzielen.

Praxisbeispiel:

Ein Private Equity Investor übernimmt 80 Prozent der Anteile an einem Unternehmen für industrielle Oberflächentechnik. Die restlichen 20 Prozent bleiben beim Verkäufer, der weiterhin als Geschäftsführer tätig ist und die Wachstumsstrategie mitgestaltet.

Nach fünf Jahren ist ein geplanter Exit vorgesehen. In dieser Zeit steigt der Unternehmenswert von zehn auf 22 Millionen Euro. Der Verkäufer profitiert über seine Rückbeteiligung proportional an der Wertsteigerung und realisiert beim zweiten Verkauf eine attraktive Tranche. Die Struktur verbindet Vertrauen, operative Kontinuität und wirtschaftliche Perspektive.

Fazit

Bewertungsdifferenzen sind kein Hindernis, sondern Anlass zur Strukturierung. Earn-Outs, Kaufpreisoptionen und Rückbeteiligungen bieten bewährte Mechanismen, um unterschiedliche Erwartungshaltungen aufzufangen und Transaktionen auch in einem volatilen Marktumfeld erfolgreich umzusetzen. Entscheidend ist die maßgeschneiderte Ausgestaltung im Kontext des Unternehmens, der Eigentümerstruktur und des strategischen Interesses der Käuferseite. Wer die richtigen Instrumente kennt und situationsgerecht einsetzt, kann auch unter schwierigen Rahmenbedingungen tragfähige Einigungen erzielen.

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