Was muss ich darüber wissen?
Folgende Sachverhalte finden typischerweise im Rahmen von Transaktionen mit Unternehmen aus der Softwarebranche Anwendung:
Aktivierung von Entwicklungskosten
Unternehmen in der Softwarebranche haben typischerweise signifikante vorlaufende Forschungs- und Entwicklungskosten zur Entwicklung und Weiterentwicklung ihrer Produkte. Nach deutschem Handelsrecht besteht für diese Kosten ein Aktivierungswahlrecht (§248 Abs. 2 HGB). Bei Ausübung des Wahlrechts werden die Kosten in der Gewinn- und Verlustrechnung neutralisiert und auf der Bilanz ein Vermögenswert geschaffen und über den Nutzungszeitraum abgeschrieben. Aktivierbare Kosten umfassen hierbei alle internen und externen Entwicklungskosten (d.h. Personal, Material, Beratung etc.). Forschungskosten hingegen unterliegen einem expliziten Aktivierungsverbot.
Wird in der Bewertung auf einen EBITDA-Multiplikator abgestellt, würde das Unternehmen durch den maximalen Gebrauch des Wahlrechts sein EBITDA und somit die Bewertung erhöhen, da der Aufwand oberhalb des EBITDA eliminiert und die Abschreibung des aktivierten Anlagevermögens unterhalb des EBITDA anfallen würden.
Klassische Argumente für oder gegen eine Anpassung des EBITDA aufgrund aktivierter Entwicklungskosten umfassen regelmäßig folgende Standpunkte:
- Da die Aktivierung nicht „Cash-wirksam“ ist und es sich bei den Entwicklungskosten um tatsächlich gezahlte Kosten handelt, argumentieren Käufer häufig gegen eine Eliminierung aus dem EBITDA
- Dagegen steht das Argument, dass die „Peer Group“, auf Basis derer häufig der EBITDA-Multiplikator abgeleitet wird, auch dem Aktivierungswahlrecht unterliegt und somit „Gleiches mit Gleichem“ verglichen wird
- Nach internationalen Rechnungslegungsstandards besteht zudem eine Aktivierungspflicht (IFRS, IAS 38), was ein zusätzliches Argument für Verkäufer gegenüber einem nach IFRS bilanzierendem Käufer für die volle Eliminierung aus dem EBITDA darstellt
Gesellschafterkosten
Unternehmen, für die ein Verkauf z.B. im Rahmen einer Unternehmensnachfolge erfolgt, sind typischerweise inhabergeführt. Hierbei ist es nicht selten, dass sich Gesellschafter entweder über ihr Gehalt oder Beraterverträge vergüten. Abhängig von der angedachten Struktur nach dem Verkauf, werden die aktuellen Gesellschafter d.i. das aktuelle Management typischerweise durch neue Personen mit marktüblichen Gehältern ersetzt.
Wenn sich ein Gesellschafter in der aktuellen Struktur z.B. 200 TEUR pro Jahr ausgezahlt hat, ein Erwerber jedoch zukünftig einen Geschäftsführer für 150 TEUR einstellen kann, müsste das Ergebnis um den Differenzbetrag von 50 TEUR „normalisiert“ bzw. erhöht werden. Handelt es sich um einen strategischen Käufer, der die Managementfunktion durch bereits bestehende Funktionen in seiner Organisation ersetzen kann, könnte u.U. sogar der Gesamtbetrag als Synergie normalisiert werden.
Zudem bestehen oftmals Verflechtungen des Unternehmens mit dem Gesellschafter oder deren Familien (z.B. angestellte Familienmitglieder, privat genutzte Dienstfahrzeuge etc.). Diese betreffen oftmals Kosten, die nicht oder nicht in gleicher Höhe nach einem Verkauf anfallen würden und bilden daher Normalisierungspotenzial.
Klassische Argumentationsgrundlagen für oder gegen gesellschafterbedingte Sachverhalte umfassen regelmäßig folgende Standpunkte:
- Die Anpassung der Gesellschaftervergütung sowie gesellschafterinduzierter Kosten werden in der Regel von den meisten Marktteilnehmern akzeptiert, während es maximal bezüglich der genauen Höhe der Normalisierung Verhandlungsbedarf gibt
- Im Fall der Synergie mit einem strategischen Käufer argumentieren Käufer regelmäßig, dass sie von ihnen gehobene Synergien nicht (vollständig) in den Kaufpreis einfließen lassen wollen
Einmalige Erträge und Aufwendungen
Einmalige Erträge und Aufwendungen werden regelmäßig aus dem EBITDA normalisiert, wenn sie entweder
(a) nicht aus dem originären operativen Geschäftsmodell erwachsen sind oder
(b) keinen wiederkehrenden Charakter haben.
Da beide Aspekte nur selten trennscharf definiert werden können, führen diese Normalisierungen in der Praxis zu größeren Diskrepanzen in der Kaufpreisverhandlung.
Ein häufiger Diskussionspunkt sind hierbei beispielsweise Beratungsaufwendungen. Häufig haben Unternehmen eine Vielzahl an Beratungsprojekten, die oftmals individuell betrachtet einen einmaligen Charakter haben (z.B. Marketingkampagne, Transformationsprojekt etc.). Wenn diese in Summe über einen längeren Zeitraum jedoch in ähnlicher Höhe anfallen, könnte dies darauf hindeuten, dass Beratungsaufwendungen in dieser Höhe für das Unternehmen in der Tat normal und nachhaltig sind.
Weitere klassische einmalige Sachverhalte umfassen:
- Veräußerungsgewinne und -verluste von Sachanlagevermögen
- Kosten im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten
- Außerordentliche Boni, Abfindungszahlungen oder Rekrutierungskosten
- Währungsgewinne und -verluste
- Exogene Besonderheiten: z.B. Covid-19 Hilfen, temporärer Schließungen
- Jegliche Kosten im operativen Ergebnis mit Finanzierungscharakter
Periodenfremde Erträge und Aufwendungen sowie Rückstellungen
Periodenfremde Aufwendungen sind Kosten, die durch betriebliche Umstände (z.B. eine Vorauszahlung) zu einem verschobenen Zeitpunkt entstehen und deshalb nicht der aktuellen Abrechnungsperiode zugeordnet werden können. Periodenfremde Erträge sind das zugehörige Pendant auf der Ertragsseite. Im Rahmen der Due Diligence werden diese Erträge und Aufwendungen typischerweise rückwirkend den korrekten Perioden zugeordnet. Der Höhe nach handelt es sich zumeist um unwesentliche Beträge.
Da die Anpassung außerdem technischer Natur ist, gibt es nur selten Verhandlungsbedarf. Ähnlich verhält es sich bei Rückstellungsauflösungen. Hier werden die Auflösungen sowie die jeweiligen Zuführungen in der Vorperiode in gleicher Höhe normalisiert, sodass ausschließlich ein periodischer Versatz erfolgt.